Zur Höhe der Entschädigung bei der Vergesellschaftung nach Artikel 15 Grundgesetz
Zusammenfassung
Vielen Bürger*innen, die keinen unmittelbaren Bezug zu verfassungsrechtlichen Fragen haben, fällt es schwer, den Vorschlag, Deutsche Wohnen & Co zu enteignen beziehungsweise nach Artikel 15 Grundgesetz zu vergesellschaften, rechtlich zu bewerten. Das ist schon deshalb verständlich, galt dieser Artikel doch lange als verstaubtes Überbleibsel einer anderen Zeit ohne jede praktische Bedeutung.
Mangels Anwendung gibt es zu Artikel 15 GG keine Rechtsprechung. Allerdings wird Artikel 15 GG in allen Grundgesetzkommentaren und in diversen Fachaufsätzen kommentiert. In der Frage nach der Höhe der Entschädigung, aber auch zum Verhältnis von Artikel 15 GG zu Artikel 14 GG gibt es seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes eine „herrschende Meinung“ in der juristischen Literatur, die sich in der Substanz seither nicht verändert hat.
Diese „herrschende Meinung“ in der Rechtswissenschaft vertritt folgende Rechtsauffassung:
- Artikel 15 GG ist kein Unterfall des Artikels 14 GG, sondern als sogenanntes Aliud eine eigenständige Rechtsnorm mit anderer Zielrichtung. Bei Artikel 15 GG handelt es sich um eine groß angelegte Überführung von, in diesem Fall, Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung. Der Artikel 14 GG behandelt hingegen die einfache Enteignung als Verstaatlichung. Er wird in der Praxis angewandt, um andere Vorhaben umzusetzen, zum Beispiel den Bau einer Autobahn. Die Entscheidung für eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 GG ist eine rein politische Entscheidung und muss nicht unumgänglich oder zwingend erforderlich sein. Für eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 GG gelten andere Verfahrensregeln als bei der einfachen Enteignung nach Artikel 14 GG.
- Die „herrschende Meinung“ geht davon aus, dass die Höhe der Entschädigung im Regelfall unter dem Verkehrswert liegt.
- Im Parlamentarischen Rat gingen die Verfasser*innen des Grundgesetzes zum Teil, wie der CDU-Abgeordnete Prof. Dr. Mangoldt, sogar von einer nominellen, das heißt einer symbolischen Entschädigung aus.
Rechtlich stehen der Vergesellschaftung nach Artikel 15 GG, welche die Enteignung der Wohnungen von Deutsche Wohnen & Co zur Überführung in Gemeineigentum mit einschließt, in diesen wichtigen Fragen keine Hürden gegenüber. Auch die Entschädigungsfrage wird letztlich eine politische Frage sein. Rechtlich gesehen ist allerdings schon jetzt klar, dass die Höhe der Entschädigung in der Regel unter dem Verkehrswert liegen kann und soll.
Kurzgutachten, welches die Abgrenzung von Artikel 15 GG zu Artikel 14 GG begründet und darum zeigt, dass die Vergesellschaftung nicht unumgänglich sein muss, sondern eine politische Entscheidung ist. Weiterhin wird gezeigt, dass die Entschädigungszahlungen bei einer Vergesellschaftung nach Artikel 15 Grundgesetzt unter dem Marktwert liegen kann und soll!
Art.15_GG_Gutachten_Entschädigung.pdf
Adobe Acrobat Dokument Herunterladen